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Therese und das Wort Gottes




„Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ (Mt 4,4). Das ist die Antwort, die Jesus dem Teufel gibt, der ihn aufgefordert hat: „Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird.“ Jesus, so berichtet uns das Evangelium, hatte vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet.


Er war hungrig. Doch Jesus widersagt dieser Versuchung. Ja, Jesus ist Gottes Sohn. Er lebt ganz im Blick auf seinen himmlischen Vater. Er tut, was der Vater ihm sagt. „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat…“ (Joh 4,34), wird Jesus eines Tages sagen.


Die hl. Therese von Lisieux fand im Wort Gottes Nahrung für ihren Glaubensweg. Wie sehr sie mit dem Wort Gottes lebte, bezeugen ihre vielen Zitate aus der hl. Schrift, die wir in ihrer „Geschichte einer Seele“ und in ihren Briefen finden. Das Bild, das sie von Gott hatte, war gezeichnet durch die Worte der Hl. Schrift. Celine, ihre leibliche Schwester, die mit ihr im Karmel lebte, sagte über Therese: „Sie wollte Gott kennenlernen, sozusagen „seinen Charakter“ entdecken. Und wie hätte sie es besser machen können, als die unter Eingebung des Heiligen Geistes entstandenen Bücher zu studieren, vor allem das heilige Evangelium.“


Wie sehr Therese mit dem Evangelium verbunden war, zeigt sich auch darin, dass sie ständig ein Buch mit den Evangelien bei sich trug. Das erinnert mich an Papst Franziskus, der immer wieder einlädt, jeden Tag das Wort Gottes zu lesen und das Evangelium bei sich zu tragen. Am 6. Jänner 2015 sagte er in seiner Ansprache zum Angelusgebet: „Es ist das Wort Gottes, das beständig unsere Herzen, unsere Gemeinschaften erneuert. Somit wollen wir nicht vergessen, es alle Tage zu lesen und zu betrachten, damit es für einen jeden wie eine Flamme werde, die wir in uns tragen, um unsere Schritte zu erhellen, und auch die Schritte dessen, der neben uns geht, dem es vielleicht schwerfällt, den Weg zu Christus zu finden. Immer mit dem Wort Gottes! Das Wort Gottes zur Hand: ein kleines Evangelium in der Jackentasche, in der Handtasche, immer, um darin zu lesen. Vergesst das nicht: immer das Wort Gottes bei sich haben!“


Genau das hat die hl. Therese gelebt. Sie schöpfte ganz aus der Quelle des Wortes Gottes. Einige Monate vor ihrem Tod sagte Therese: „Für mich finde ich nichts mehr in den Büchern, außer im Evangelium. Dieses Buch genügt mir. Mit Entzücken lausche ich auf jenes Wort Jesu, das mir alles sagt, was ich zu tun habe: „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen.“ Dann finde ich den Frieden nach seiner beseligenden Verheißung, gemäß seinem wohltuenden Versprechen: „…Und ihr werdet Frieden finden für eure Seelen.“ (Mt 11,29).


Im Blick auf Jesus leben, im Blick auf Jesus handeln, das schenkt uns den Frieden der Seele. Jesus ist unser Friede. In einem Brief an ihre Schwester Celine kommt Therese auf die Worte Jesu zu sprechen: „Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort bewahren, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen, und wir werden bei ihm unsere Wohnung nehmen“ (Joh 14,23). Therese erklärt diese Worte Jesu so: „Das Wort Jesu bewahren, das ist die einzige Bedingung für unser Glück, der Beweis unsere Liebe zu Ihm: Aber was ist dies Wort?... Mir scheint, das Wort Jesu ist Er selbst…Er Jesus das Wort, das Wort Gottes! (Brief 165) Mit dem Wort Gottes leben heißt, mit Jesus leben. Er ist für uns der Weg und die Wahrheit und das Leben (vgl. Joh 14,6). So werden wir nicht in die Irre gehen. Sein Wort wird uns immer neu den Weg zeigen. Sein Wort hilft uns in der Wahrheit zu leben.


Papst Pius XI., der Therese im Jahre 1925 heilig sprach, nannte Therese „lebendes Evangelium“. In seiner Predigt am Tag der Heiligsprechung sagte er: „Vor allem nährte sie ihren Geist und ihr Herz durch regelmäßige Meditation der Heiligen Schrift, und der Geist der Wahrheit enthüllte ihr und lehrte sie, „was Er gewöhnlich den Weisen und Klugen verbirgt und den Unmündigen offenbart“ (Mt 11,25). Tatsächlich erwarb sie – nach dem Zeugnis Unseres unmittelbaren Vorgängers - eine solche Einsicht in die übernatürlichen Dinge, dass sie den anderen einen sicheren Weg des Heils vorzeichnen konnte.“


Immer wieder sucht Therese Antwort auf ihre Fragen in der Heiligen Schrift. So schlägt sie öfters betend die Bibel an einer beliebigen Stelle auf, um eine Antwort auf ihre Zweifel oder Fragen zu finden. Sie sucht solange, bis sie findet. Sie glaubt ganz fest, dass Gottes Wort ihr den Weg weist. Obwohl sie schon im Karmel ist und ihren Weg gefunden hat, darf sie eines Tages noch klarer ihre eigentliche Berufung erkennen: „Meine Berufung ist die Liebe!... Ja, ich habe meinen Platz in der Kirche gefunden, und diesen Platz, mein Gott, den hast du mir geschenkt…im Herzen der Kirche, meiner Mutter, werde ich die Liebe sein.“ So schreibt sie in ihrer Geschichte einer Seele (SS 200f). Wie hat sie diese Entdeckung gemacht?


Papst Benedikt XVI. sagt es uns in seinem Apostolischen Schreiben Verbum Domini. Dieses Apostolische Schreiben, veröffentlicht am 30. Sept. 2010, fasste die Ergebnisse der Bischofssynode, die im Oktober 2008 im Vatikan abgehalten wurde, zusammen. Diese Bischofssynode stand unter dem Thema: Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche. In seinem Apostolischen Schreiben findet sich auch das Kapitel: Die Heiligen und die Auslegung der Schrift. Dort schreibt er: „Die tiefste Auslegung der Heiligen Schrift kommt von jenen, die sich durch das Wort Gottes – im Hören, im Lesen und in der ständigen Betrachtung – formen ließen. Jeder Heilige ist wie ein Lichtstrahl, der vom Wort Gottes ausgeht.“ Er kommt auch auf die hl. Therese zu sprechen: „Die hl. Therese vom Kinde Jesu findet die Liebe als ihre persönliche Berufung, indem sie die Schriften erforscht, insbesondere die Kapitel 12 und 13 des Ersten Korintherbriefs. Die Heilige selbst beschreibt die Anziehungskraft der Schrift: „Sobald sich mein Blick auf das Evangelium richtet, atme ich sofort den Wohlgeruch des Lebens Jesu ein und weiß, wohin ich mich wenden soll.“


In der Heiligen Schrift findet Therese immer neu Antwort auf ihre Fragen. In der Heiligen Schrift findet sie auch Nahrung für ihr Gebet. Sie schreibt in ihrer Geschichte einer Seele: Das Evangelium aber vor allem andern gibt mir das Nötige für das innere Gebet, in ihm finde ich alles, was meine arme kleine Seele braucht. In ihm entdecke ich immer neue Klarheiten, verborgene und geheimnisvolle Bedeutungen…“ (SS 184)


Das Evangelium lehrt sie den Geist der Gotteskindschaft: Dank der Heiligen Schrift, dank des Evangeliums, darf Therese das wahre Bild von Gott entdecken. Sie darf entdecken wie Gott von uns geliebt werden will, worin die Vollkommenheit, die Heiligkeit besteht zu der wir alle berufen sind.


Papst Benedikt XVI. sagt am Ende seines Apostolischen Schreibens über das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche: „Zu jedem einzelnen sagt der Herr. ‚Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir‘ (Offb 3,20). Jeder Tag unseres Lebens sei daher geprägt von der immer neuen Begegnung mit Christus, dem menschgewordenen Wort des Vaters: Er steht am Anfang und am Ende, und „in ihm hat alles Bestand“ (Kol 1,17) Pflegen wir die Stille, um das Wort des Herrn zu hören und darüber nachzudenken, damit es durch das Wirken des Heiligen Geistes alle Tage unseres Lebens immer neu in uns wohnt, in uns lebt und zu uns spricht. Auf diese Weise erneuert und verjüngt sich die Kirche fortwährend durch das Wort des Herrn, das in Ewigkeit bleibt (vgl. 1 Petr 1,25; Jes 40,8).“ Die hl. Therese möge uns dabei helfen.



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