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Therese und die Krippe


von Paul Rodriguez


Das Weihnachtsgeheimnis war für die hl. Therese etwas ganz Großes. Am Weihnachtsfest 1886 ereignete sich ihre „Bekehrung“; es war der Beginn ihres Aufblühens, des „Laufes eines Riesen“, wie sie schrieb. Aber darüber hinaus ist das an diesem Fest gefeierte „Kind-Sein“ ein wesentliches Element ihrer Spiritualität. Therese hat das Kind-Sein in ihrem geistlichen Leben entfaltet und das Geheimnis der Menschwerdung Jesu mit seiner Passion verbunden. Ihrem Ordensnamen „vom Kinde Jesus“ fügte sie „vom heiligen Antlitz“ hinzu, was für Therese ein Verweis auf die Passion Christi war. Dieses Thema war zur Zeit der hl. Therese ein sehr verbreitetes Motiv; man sah im Holz der Krippe bereits das Holz des Kreuzes, im gewickelten Kind den ans Kreuz genagelten Mann, in der Armseligkeit des Stalles die Verachtung auf Golgota.


Aber die Krippe war für Therese vor allem Ausdruck der Demut, die sie im Leben Jesu wahrnahm und nach der sie in ihrem ganzen Leben suchte. Tatsächlich war die kleine Therese ja mit ihrer Schwachheit gut vertraut. Aber weit davon entfernt, darüber traurig zu sein oder schlimmer noch, die Hoffnung zu verlieren, verstand sie, dass die Demut der Weg ist, der es ihr ermöglicht, mit ihrer Schwachheit zu leben. Es war ihre Freude, klein zu bleiben, denn sie war sich bewusst, dass Jesus kommt, sich klein macht, um Therese aufzurichten. Ganz egal, wie oft wir fallen: was zählt, ist nicht müde zu werden, die Zuflucht zu Gott zu nehmen, damit seine Barmherzigkeit uns aufrichte. Und selbst wenn Jesus scheinbar schläft, sollen wir uns nicht entmutigen lassen, denn er ist trotzdem der, der uns beschützt.

Thereses Gedanken zur Krippe zeigen sich besonders in ihrem ersten Theaterstück über Jeanne d’Arc, wo sie die hl. Katharina sagen lässt:


„Jesus wurde geboren im Stall, Jesus, der Sohn des lebendigen Gottes, verbarg seinen unaussprechlichen Glanz unter den Zügen eines kleinen Kindes. Die Krippe wurde sein Königsthron, ein Zepter aus Gold besaß er nicht, keine Krone war zu erblicken – nichts, das äußerlich strahlte. Die Seraphim konnten es nicht glauben, dass Gott so tief herabstieg. Mit Herrlichkeit krönen wollten sie den König, den sie verloren hatten. Doch das Jesuskind in seinen Windeln hat mehr als den großen Glanz, ja mehr als die Glut der Engel die niedrige Demut geliebt!“ (RP 1,12)


Nehmen wir also am Weihnachtsgeheimnis den Appell zur Demut wahr, den Jesus der Welt geben wollte, und suchen wir in der Krippe und im Kreuz dasselbe Geschenk, das uns Gott gibt, indem er sich uns selbst schenkt.


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